„Mein Magen tuat mir weh, die Füaß tuan mir weh, der Kopf tuaht mir weh, mein Hals ist entzunden -und i selbst befind mich aa net wohl.“ (Karl Valentin zit n. W. Bartens: Körperglück)
Embodiment- im weitesten Sinne- hat Konjunktur: Körperliche, achtsamkeitsfördernde Angebote wie Tai-Chi, Chi-Gong, Yoga oder Feldenkreis sind beliebter denn je. Auch die Philosophie beschäftigt sich mit dem „corporal turn“ und richtet den Blick mehr auf den Leibbezug. In der Psychotherapie hat das „Leib-Seele-Problem“ einen hohen Stellenwert bekommen, also wie der Zusammenhang zwischen Leib, also Körper, Gehirn, Materie und Seele im Sinne von Psyche, Kognition und Denken zu begreifen ist (vgl. Tschacher, Storch: Die Bedeutung von Embodiment für Psychologie).
In meiner Arbeit als Familientherapeutin und Supervisorin mache ich mehr und mehr die Erfahrung, wie sehr die Körperlichkeit die Einstellungen, Emotionen und Handlungen des Klienten beeinflusst. Auf Körperhaltung, Mimik, Gestik und Stimmlage zu achten ist in der Beratung selbstverständlich, aber dass aus der Embodimentperspektive psychische Prozesse immer in den Körper eingebettet sind, wurde mir erst viel bewusster seit meiner Traumaweiterbildung ( Bsp. Körpergedächtnis, Traumafolgestörungen). Embodimentforschung beschäftigt sich auch mit der Umkehrung („Vom Körper zur Psyche!“) von bisher gängigen Annahmen in der Psychologie („Eine Reihe von Ursachen und Reizen wird psychisch verarbeitet, daraus entsteht ein Verhalten und/oder ein Emotionszustand, der sich verbal und nonverbal im Körper ausdrückt, etwa im Gangmuster“ (vgl. Michalak et al. 2009).
Die ersten Experimente dazu zeigten, dass wenn manipulativ eine Körperhaltung oder Muskelanspannung bei der Versuchsperson erzeugt wird, die normalerweise an bestimmte Emotionen und Affekte gekoppelt ist, sie trotzdem eine psychische und emotionale Veränderung bewirkt. (Mir fiel dabei sofort der Kanzleiinhaber John aus Ally McBeal ein, der mit der „Lächeltherapie“, dem bewussten Hochziehen der Mundwinkel, die ganze Firma glücklicher machen wollte und etwas gruselige Grimassen zeigte: https://youtu.be/N-FZg2Y6Hnk). Die Ergebnisse langjähriger Forschungen ergaben auch, dass der Körper einen nichtbewussten Einfluss auf kognitive Variablen wie emotionsbezogene Einstellungen hat. Hinzu kommen Auswirkungen auf Bindung und Sozialverhalten, etwa durch Synchronie von Mutter und Kind und sozialer Ansteckung, wie bspw. die La-Ola-Welle im Stadion.
Der Körper ist also nicht nur Spiegel der Seele, sondern die Psyche auch Spiegel des Körpers! Embodiment hat demzufolge auch direkt messbare Auswirkungen auf Beratung und Therapie, z.B. in motorischer Bewegung und nonverbaler Synchronie bei Klient und Therapeut, die wiederum die Beziehungsqualität spiegelt. Anwendung findet diese Erkenntnis ja auch schon länger im Pacing und Leading des NLP und auch Freud hat schon Imitation und Empathie mit Identifikation verbunden, aber es scheint dennoch zu dauern, bis Embodiment als allgemeiner Wirkfaktor anerkannt wird. Lesenswert ist hierzu: – Storch, M./Cantieni, B./Hüther, G./Stacher, W. (2010): Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. 2.Aufl. Bern: Huber-Verlag. – . Alloa, E./Bedorf, T./Grüny, C./Klass, T.) (Hg.) (2012): Leiblichkeit. Geschichte und Aktualität eines Konzepts. Tübingen: Mohr-Siebeck-Verlag.