Erich Fried: Meine Wahl
Gesetzt ich verliere dich
und hab dann zu entscheiden
ob ich dich noch ein Mal sehe
und ich weiß:
Das nächste Mal
bringst du mir zehnmal mehr Unglück
und zehnmal weniger Glück
Was würde ich wählen?
Ich wäre sinnlos vor Glück
dich wiederzusehen
Dieses Gedicht rezitierte kürzlich eine Klientin, die ich fragte, wofür es denn gut sei, den Expartner treffen zu wollen, der sie zuvor so verletzt hatte. Ich war berührt von der poetischen Erklärung der Frau – und ich war erschrocken über mich selbst! Hier wurde mir sehr deutlich, ich bin nicht frei davon, etwas mit „meiner Brille“ zu betrachten und gedanklich eine Schablone davon anzufertigen und sie, ohne es zu merken, anderen aufzudrücken. Ich danke der Klientin für dieses Gedicht und diese Erkenntnis.