Keine andere Kunstform löst so viele Emotionen in uns aus wie die Musik. Sie kann glücklich machen oder uns ins Tal der Tränen stürzen, uns erschüttern und manchmal sogar alles zusammen. Und das alles höchst individuell. Was mich berührt, läßt andere vielleicht kalt und so geht es mir auch umgekehrt manchmal. Gerade wenn wir trauern, hilft die Musik dabei, uns darin hineinzugeben und fallenzulassen und uns zu trösten. Mich berühren natürlich aus alter Tradition auch besonders die christlichen Klassiker. Bei „Von guten Mächten“ müssen eine Freundin von mir und ich schon weinen, wenn wir nur daran denken. Das „Ave Maria“ löst das ebenso in mir aus. Das kann ich aber nur in der Kirche hören und nicht zuhause oder unterwegs.
Ich habe mich zwei Tage ausgeklinkt und bin ins schöne Sauerland gefahren. Das Wetter im Sauerland war angemessen trüb, ich war stundenlang ganz allein unterwegs und bin nur einmal ein paar Pilzsammlern begegnet. Während ich unterwegs war, habe ich mit Kopfhörern laut Musik gehört und dabei ein Stück wiederentdeckt, dass ich dann in Dauerschleife gehört habe: Symphonie der Klagelieder: Symphony No.3, Op.36: II Lento e Largo – Tranquilissimo vom polnischen Komponisten Henryk Górecki, gesungen mit wunderbar weicher Sopranstimme von Dawn Upshaw, London Sinfonietta.
Es ist so intensiv und traurig und wunderschön finde ich. Später las ich, dass der tiefgläubige Górecki die Inspirationen für jede der drei Strophen aus unterschiedlichen Quellen bekam: In der ersten trauert Maria um ihren gekreuzigten Sohn, die zweite ist ein Gedicht, das in einem polnischen KZ an die Wand geschrieben wurde und in der dritten trauert eine Mutter um ihren verstorbenen Sohn. Die letzte stammt aus einem oberschlesischen Volkslied.
Mit dem Werk wurde Górecki kurzzeitig Ende der 1980er Jahre sehr berühmt, kritische Stimmen bezeichneten das Werk nicht unoriginell als „Orchestrale Breitwandtristesse für Technokids“, „Ohrwurm auf der Kriechspur“ oder „balsamierter Seelenkitsch“ (BR Klassik). Stimmt irgendwie, ist aber trotzdem wunderbar.
Ich füge noch andere Stücke hinzu (unten die alten Klassiker), auch aus früheren Zeiten der Trauer und empfehle sehr, die Musik alleine, laut mit Kopfhörern und in der Natur zu hören und nichts dabei tun zu müssen:
- Henryk Górecki: Symphonie der Klagelieder: Symphony No.3, Op.36: II Lento e Largo- Tranquilissimo , Sopran: Dawn Upshaw, London Sinfonietta, dirigiert von David Zinman
- Sergei Rachmaninoff: Symphonie No. 2 in E Minor, Op.27: III. Adagio. Gut finde ich die Version von Yannick Nézet-Séguin mit dem Philadelphia Orchestra
- Samuel Barber: Adagio for Strings, Sir Simon Rattle, Berliner Philharmoniker
- Arvo Pärt: Te Deum. Chor des Bayrischen Rundfunkorchesters, Münchener Radio Orchester, Peter Dijkstra, Max Hanft
- Pietro Mascagni: Cavelleria Rusticana, National Philharmonic Orchestra, Guiseppe Patanè, Gianandrea Gavazzeni
- Gustav Mahler: Symphony No.5 in C-Sharp Minor: IV. Adagietto. Sehr langsam.
- Jóhann Jóhannsson: Flight from the City: Orphée. Ben Russell, Clarice Jensen, Tarn Travers, Yuki Numata Resnick
- Johann Sebastian Bach/Charles Gounod- Ave Maria
- Ludwig Beethoven: Mondscheinsonate
- Georg Friedrich Händel: Largo from Xerxes
- Johann Sebastian Bach: Air. Suite No.3 in D, BWW 1068)
- Anton Bruckner: Symphonie Nr.7 in E-Dur, Herbert von Karajan, Wiener Philharmoniker
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P.S. Eine Liste mit trauriger Popmusik erstelle ich auch mal irgendwann.