Neige Sinno – Trauriger Tiger

Dieses Buch ist nur schwer zu ertragen und ich konnte manchmal nur ein paar Seiten lesen, um es dann wieder zur Seite zu legen. Die Literaturwissenschaftlerin und Autorin Neige Sinno berichtet schonungslos über die sexuelle Gewalt, die sie im Alter von 7 Jahren erstmals durch ihren Stiefvater erlitten hat und die sich über Jahre hinzog. Sinno beschreibt oft distanziert die grausamen Taten und dieser manchmal kühle Blick darauf löst in mir noch größeres Entsetzen aus. Auch wie sie offenlegt, dass sie damit gehadert hat, überhaupt darüber zu schreiben, weil sie befürchtet, darauf reduziert zu werden. Sie beobachtet sich oft selbst aus der Erwachsenenperspektive, sie versucht, mit den Augen des Täters zu schauen, vergleicht ihn mit Nabokows Humbert und erzählt wie nebenbei auch Virginia Woolfs Leidensgeschichte. Die Nebenstränge helfen, Verknüpfungen herzustellen und erzählen die Geschichte neu.

Beeindruckend finde ich auch, dass sich Sinno entscheidet, wütend zu bleiben und dem Täter niemals zu vergeben. Sie sagt, es sei nun eine gesunde Wut, die ihr nicht mehr schade, die ihr aber Kraft gebe, weiterzumachen. Hier ist der Link zu einem Beitrag über sie und ihr wirklich wichtiges Buch in Titel, Thesen, Temperamente. Klick!

https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3R0dCAtIHRpdGVsIHRoZXNlbiB0ZW1wZXJhbWVudGUvNTNkZTZjMWUtYWQ3Mi00OGQwLThiNzEtOGQ0MmJlYjVjNDJj